Mit „Fleshwork“ legt das Londoner Trio PUPIL SLICER ein Album vor, das sich kompromisslos gegen gesellschaftliche Ausgrenzung und emotionale Abstumpfung stellt. In einem Sound-Gewitter aus Death Metal, Industrial, Noise, Hardcore und Mathcore entfaltet sich eine musikalische Landschaft, die Schmerz in Widerstand verwandelt. Frontfrau Kate Davies verleiht dem Werk mit
ihrer Stimme eine Dringlichkeit, die zwischen rasender Wut und verletzlicher Suche changiert. „Fleshwork“ ist kein leicht zugängliches Album und will es auch nicht sein. Es fordert heraus, statt zu gefallen, und bietet jenen eine Stimme, die in der Welt keinen Platz finden.
Die kreative Richtung des Drittwerks entstand aus dem Wunsch, die rohe Energie des Debüts mit dem ausgefeilten Songwriting des Nachfolgers zu verbinden: „Bei „Mirrors“ waren wir noch unerfahren und wussten nicht genau, wohin wir wollten“, erklärt Kate. „„Blossom“ war dann sehr strukturiert. Mit „Fleshwork“ wollten wir beides vereinen und das ist uns gelungen.“ Die neue Platte zeigt eine Band, die sich ihrer klanglichen Identität bewusst ist und dennoch bereit, neue Wege zu gehen.
Emotionale Rohheit und klangliche Expansion sind zentrale Merkmale der Scheibe. Für die Frontfrau war es angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen notwendig, ein Werk zu schaffen, das die unkontrollierte Wut des ersten Albums wieder einfängt:
„Wir leben in einer Zeit, die so viel Frustration und Schmerz mit sich bringt. Das musste sich auch in unserer Musik widerspiegeln“, sagt sie. Dabei bleibt die Band ihrem Anspruch treu, sich stets weiterzuentwickeln und die eigenen Grenzen auszuloten. Ein wichtiger Faktor für das weitere Wachsen war der Einstieg des neuen Bassisten: „Luke ist eine fantastische Bereicherung“, betont Kate. „Er versteht intuitiv, was Josh (Schlagzeug) und ich wollen, und bringt genau die Parts ein, die wir uns vorstellen. Der Schreibprozess war dadurch einfacher und flüssiger als je zuvor.“ Die neue Besetzung hat nicht nur die musikalische Dynamik verändert, sondern auch das kreative Miteinander gestärkt. Obwohl „Fleshwork“ als konzeptionell
beschrieben wird, handelt es sich nicht um ein klassisches Konzept-Album. Für die Gitarristin und Sängerin ging es weniger um eine durchgehende Handlung als um die Erschaffung einer bestimmten Atmosphäre:
„Ich wollte mit jedem Song eine emotionale Nische erkunden und daraus ein ganzheitliches Projekt formen“, erklärt sie. Die Texte sind dabei tief in Themen wie gesellschaftlicher Grausamkeit und persönlicher Desintegration verwurzelt – schwer zugängliche Inhalte, die dennoch musikalisch ansprechend umgesetzt werden. Der kreative Prozess beginnt für Kate meist mit den Instrumentals: „Ich schaffe zuerst den klanglichen Raum, in dem der Song existieren soll“, sagt sie. „Von dort aus ergibt sich der emotionale Ton, und ich weiß, was textlich dazu passt.“ Dabei spielt auch ihre eigene Stimmung eine Rolle. Die Texte entstehen intuitiv und sind Ausdruck eines inneren Dialogs: „Ich schreibe, was sich für den Song richtig anfühlt“, bekräftigt die Frontfrau. Die kathartische Wirkung von „Fleshwork“ ist für die Musikerin sowohl persönlich als auch politisch: „Es ist definitiv ein Exorzismus und ein
Statement zugleich“, sagt sie. Besonders stolz ist Kate darauf, dass die Produktion dem Erlebnis eines PUPIL SLICER-Live-Konzerts nahekommt: „Das Album vermittelt die Bandbreite unserer Musik und die Atmosphäre, die wir live erzeugen. Das war uns sehr wichtig.“
Die Tatsache, dass die Gruppe nur aus drei Mitgliedern besteht, empfindet die Britin als kreativ befreiend: „Die meisten Ideen entstehen aus einem Riff, das ich geschrieben habe“, erzählt sie. „Josh und ich jammen es, entwickeln die Struktur, und dann bringt Luke seine Ideen ein. Wir arbeiten sehr kollaborativ und können alles tun, was wir spannend finden.“ Diese Arbeitsweise hat sich über die Jahre bewährt und ist ein zentraler Bestandteil der Band-Identität. Diese Identität hat sich seit dem Debüt zwar weiterentwickelt, bleibt aber im Kern bestehen: „Wir sind weiterhin im Math-Hardcore verwurzelt, aber wir integrieren auch andere Genres, die uns inspirieren“, erklärt Kate. Besonders der Einfluss von Blackgaze-Bands wie Deafheaven, Oathbreaker und Alcest ist spürbar: „Wir legen uns nicht auf einen Sound fest, sondern bewahren eine breite klangliche Identität.“ Die
musikalische Komplexität von „Fleshwork“ ergibt sich aus dem Spannungsverhältnis zwischen Chaos und Struktur. Industrial-Texturen, groovige Riffs und melodische Hooks stehen nebeneinander, ohne sich gegenseitig zu verdrängen:
„Auch wenn wir chaotische Riffs schreiben, ist ein Song letztendlich doch ein Song“, betont die Frontfrau. Die Herausforderung besteht darin, das Chaos zu kanalisieren und in eine Form zu bringen, die emotional und dramaturgisch funktioniert. Dabei helfen sowohl konventionelle Song-Strukturen als auch intuitive Entscheidungen, die sich aus der Dynamik der Riffs ergeben: „Ich höre mir unsere Songs in der Demo-Phase sehr oft an und merke, wenn ein Stück noch nicht richtig sitzt“, sagt Kate. Der Prozess ist iterativ und verlangt Geduld, aber das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand.
Picture credit: Richard Mukuze
